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wieder schnee von gestern

März 31st, 2009

frost

jahreszeitlich gesehen habe ich durs grünbeins „vom schnee“ knapp zu spät gefunden. zur arbeitsmotivation aber zum genau richtigen zeitpunkt.  „vom schnee“ erzählt von descartes‘ winter in deutschland. und vom schnee, der abstrahieren hilft.

der schnee von heute

monsieur, wacht auf. es hat geschneit die ganze nacht.
soweit das auge reicht auf einer weißen fläche,
schmückt sich das land mit weißen kegeln. es sind bäume,
die mit der winterhand der große arrangeur
veredelt hat. man sagt, ihr schätzt ihn, seinen spieltrieb,
der türmen hauben aufsetzt und die dächer deckt
mit kalten daunen. sein kristallenes flanell,
gewebt aus flocken, polstert faltenlos die fluren aus,
bis alle welt verzaubert ist und tief verschneit –
ein foliant mit weißen seiten, die nur er beschreibt.

seht ihr, es tagt. spurlose frühe, geometrisch klar.
kühl wie am morgen nach der schöpfung, formenstreng,
zeigt sich die erde nun, berechenbar. was möglich ist,
nicht was durch sintflut, ackerbau und kleinstaatkrieg
verheerend wirklich wurde, liegt nun ausgebreitet.
besänftigt lädt, was irgend denkbar ist, zum studium ein.
schnee hat den bann gebrochen. das diktat der zeit –
habt ihr bemerkt, ist aufgehoben. unter frischen wehen
kroch eine gleichung in die hügel. rein als raum,
dreht sich die landschaft auf den rücken wie im traum.

wacht auf, monsieur. auch wenn es scheint, ein federbett
sei wie die wunderwelt dort draußen – nur im kleinen.
zum greifen nah, leicht überschaubar. eine projektion
im maßstab eins zu tausend, nimmt man die region,
in der euch winter traf und einspann wie die raupe.
heraus aus dem kokon! kommt, werft die decken ab,
wenn auch ihr faltenwurf an berg und tal erinnert –
dazwischen gänsepfade, überm knie ein ferner hügel …
was früh den blick trübt, nachts ihn bricht, ist kein gestirn.
ein futteral ists, weich gepolstert, für das müde hirn.

[…]

schnee abstrahiert. nehmt an er hat das bett gemacht
für die vernunft. er hat die wege eingeschläfert,
auf denen der gedankengang sich sonst verirrte.
die landschaft gleicht der schiefertafel, blankgewischt,
gekippt um neunzig grad. im winterlicht erstrahlt
die reinste kammer lucida. durchs guckloch geht
der sehstrahl scharf zum horizont und kommt zurück.
kein hindernis, kein zickzackpfad, nur perspektiven.
vom frost geputzt der zeichentisch – ein idealer boden
für den discours, monsieur. allez! für die methode.

nun steht schon auf. die sonne wartet nicht auf euch.
erhebt euch aus zerwühlten laken, eh die herrlichkeit
zerschmilzt und dreck die sicht euch trübt wie immer.
neuschnee ist kostbar wie die großen diamanten,
für die man krieg führt und tauscht provinzen.
ein juwelier, der schnee. er modelliert, wohin er fällt.
er rundet auf und ab und übersetzt in schöne kurven,
wofür physik dann, schwalbenflink, die formel findet.
monsieur, bedenkt, was euch entgeht, verliert ihr zeit.
für euch hat es, für euch, die ganze nacht geschneit.

winterwald

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